U. v. Beckerath, ...

7.5.1954.

Ihr Brief vom 5. cr., eingegangen heute.

 

      Lieber Herr Dr. Runge,

 

ich gratuliere Ihnen zur Anschaffung einer Rechenmaschine. DM 250.- ist ein sehr geringer Anschaffungspreis. Die relativ kleine Ausgabe wird sich bei Ihnen rasch amortisieren.

      Sehr freue ich mich darueber, dass ich Ihre Einstellung zum Golde so sehr unterschaetzt hatte. Ich nehme jetzt an, dass wir auch in folgendem uebereinstimmten:

 

Das Gold ist zur Zeit offenbar das kleinste monetaere Uebel; wir muessen aber - - als Wissenschafter - - zu jeder Zeit darauf vorbereitet sein, dass es ploetzlich oder allmaehlich sich nicht mehr als das kleinste Uebel erweist. Wir muessen sogar darauf vorbereitet sein, dass ein Teil unserer Mitbuerger darueber ganz andere Meinungen hat als wir. Tritt das ein, so haben wir - - als Wissenschafter - - keinen monetaeren Fanatismus zu ueben, sondern wir muessen nach Mitteln und Wegen suchen, wie der abweichenden Meinung unserer Mitbuerger Rechnung getragen werden kann. Da wird ein Teil z.B. den Roggen oder den Weizen fuer das Beste halten. Ich sage: Wenn diese Leute Vertragsgegner (besser wohl Vertrags-partner! - J.Z.) finden, so sollte es ihnen unverwehrt sein, Vertraege auf Getreidebasis abzuschliessen.

(In Alt-Aegypten bestand Jahrhunderte lang, vielleicht sogar Jahrtausende lang, eine Getreidewaehrung. Muenzen aegyptischen Ursprungs hat man bei Ausgrabungen in Aegypten und anderswo nicht gefunden, ausser den Muenzen aus der Ptolemaeerzeit.) Wenn ein Arbeitgeber, der Anhaenger der Getreidewaehrung ist, Arbeiter findet, die bereit sind, ihren Lohn auf dieser Basis anzunehmen - - warum die beiden Parteien hindern? Entsprechendes gilt fuer jede andere Wertgrundlage.

 

      Also: keinen Goldfanatismus, sondern monetaere Freiheit bis zur Grenze des Moeglichen. Wuerde sie heute gewaehrt, so wuerden sich die Menschen nach einigen Experimenten wohl alle dem Golde zuneigen. Aber, das Recht, solche Experimente zu machen, ist als ein demokratisches Recht anzusehen, ja - - als ein Recht des Menschen und Buergers im Sinne der Grundrechte der modernen Verfassungen. Im naechsten Jahrtausend  zieht man vielleicht die Kilowattstunden der grossen Elektrizitaetswerke als Werteinheit vor.

 

      Auf Seite 2 Ihres Briefes erklaeren Sie, dass Sie immer noch eine Hoeherbewertung des Geldes erreichen wollen dadurch, dass sie es einer relativ erhoehten Nachfrage durch den Fiskus unterwerfen. Die betreffende Massnahme des Fiskus soll - - nach dem, was Sie mir bisher darueber geschrieben haben - - eine Zwangsmassnahme sein. Zwangsmassnahmen des Fiskus sind immer eine ernste Sache und beduerfen einer Begruendung. Damit sage ich Ihnen - - natuerlich - -  nichts Neues. Gewiss haben Sie sich schon ueberlegt, zu begruenden:

a.) weshalb das Geld (Goldmuenzen - - die Sie ja nicht verbieten wollen - - Papiergeld Schecks???) einen hoeheren Wert bekommen soll,

b.) weshalb der von Ihnen empfohlene Weg der beste ist, wenn man Ihr Ziel als volkswirtschaftlich begruendet ansieht.

 

      Meine Meinung ist allerdings immer noch, dass freies Angebot und freie Nachfrage nach Geld und nach Waren, kombiniert mit der Beseitigung der monetaeren Monopole (damit die Nachfrage wirklich frei wird) exakt den richtigen Wert des Geldes ergeben, so dass jeder behoerdliche Eingriff zur Hoeherbewertung oder zur Minderbewertung eine volkswirtschaftliche Verschlechterung ist.

      Aber, auch auf diese Bedenken haben Sie zweifellos schon eine Antwort formuliert und werden Sie in forma probandi in Ihrem Buch vortragen.

      Auch werden Sie die von 1914 ziemlich allgemein gewesene Meinung widerlegen, dass das Ablehnungsrecht des Volkes gegenueber allen ihm zu hoch oder zu niedrig bewertet scheinenden Zahlungsmitteln sowohl das bestmoegliche Preisniveau ergibt als den bestmoeglichen Geldwert. Nous verrons.

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      Die Erfahrung, dass Statistiken anlegen eine der muehsamsten Arbeiten ist, die machen Sie jetzt. Sie dringen jetzt auch in den Aufbau mancher amtlichen Statistik ein, z.B. der franzoesischen und sogar der schweizerischen, die zum mindesten darauf berechnet scheinen, den Leser, auch den aufmerksamen, irre zu fuehren. Was Sie da z.B. ueber die Bewertung des Goldes durch die Schweizerische Bankgesellschaft schreiben, ist ja knollig, aber durchaus glaubhaft. Nach Abwertungen verfahren die Notenbanken oefters so, dass sie ihren Goldschatz nicht etwa in Kilo angeben, sondern ihn bewerten. Dann findet sich in dem Bericht wohl die dem nicht eingeweihten Leser unverstaendliche Bemerkung, dass in der Bewertung eine "stille Reserve" enthalten sei. Die Schweizer sind anscheinend aehnlich verfahren. Es koennte sein, dass diejenigen Angaben, die Sie jetzt gebrauchen, in den amtlichen Statistiken gar nicht enthalten sind.

      Bei der Umrechnung der Papiergeldpreise in Goldpreise stoesst man stets auf grosse Schwierigkeiten. Welchen Goldkurs soll man nehmen? Den amtlichen Goldankaufspreis? Der ist z.B. in den USA offiziell immer noch 35 Papierdollars fuer eine Unze troy Feingold. (31,1 Gramm.) Der Marktpreis war beim Ausbruch des Koreakrieges fast doppelt so hoch. Jetzt ist der Marktpreis fast an 35 Papierdollars heran. Leider ist mir der offizielle Ankaufspreis der Schweizerischen Bundesbank unbekannt.

      Oder, soll man den Kurs des "Schwarzen Marktes" nehmen? Das ist der ehrlichste Kurs, aber er ist schwierig festzustellen. Meistens wird er nicht mitgeteilt.

      Oder soll man den Preis von Goldstuecken nehmen? In Paris wurde am 30.4.54. der "Napoleon" mit 10% bis 11% Agio gegenueber dem Barrengold gehandelt. Der Sovereign mit einem Agio von 13%. Nicht angegeben ist der Preis fuer die verschiedenen, gehandelten Goldmengen. Der Preis fuer 10 000 Napoleons ist ein anderer als der Preis fuer nur einen Napoleon. Die Zeitungen berichten darueber nichts, wissen's wohl auch selbst nicht.

Der amtliche Ankaufspreis der Bank von Frankreich fuer Barrengold war am 30.4. 393 Francs fuer 1 Gramm. Der Marktpreis war 414 Francs. (Ich entnehme die Zahlen der Neuen Zuercher Zeitung vom 4.5.54.)                                               

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      Was Sie ueber die mit Feigheit kombinierte Dummheit und Unwissenheit der Politiker einschliesslich der von den Behoerden abhaengigen Oekonomisten sagen, ist seit Jahrzehnten nur allzurichtig. Aufgabe einer wirklichen, oekonomischen Wissenschaft waere es, das alles anzuprangern und dem Volke einen Weg zur Emanzipation von dieser Gesellschaft zu zeigen. Ich gebe zu, dass das lebensgefaehrlich ist. Immerhin kann man aber z.B. in Deutschland ziemlich offen ueber die Waehrungs-Schweinereien in Frankreich schreiben, kann sogar ueber die Emanzipation der Franzosen von ihren Waehrungs-Pfuschern schreiben. Ueber deutsche Waehrungsverhaeltnisse und ihre Aehnlichkeit mit den franzoesischen kann man aber nicht schreiben. Kein Verleger nimmt einem das ab. Dagegen koennte ein Franzose etwa im "Monde" ohne Gefahr ueber deutsche Verhaeltnisse schreiben. Sie wissen, dass zur Zarenzeit die russischen Schriftsteller in dieser Weise die heimischen Zustaende kritisierten. Man schrieb z.B. ueber die bloedsinnige amerikanische Geldgesetzgebung mit ihrer s.Zt. bestehenden Vorschrift, alljaehrlich eine bestimmte, grosse Menge Silber anzukaufen und es als Notendeckung mit zu verwenden. Dann ueber die schlechte Peels-Act von 1844, die Meulen noch viel zu hoeflich kritisiert hat. Dadurch gewann dann das russische Publikum eine Aufklaerung, die wahrscheinlich groesser war als z.B. die der englischen Geschaeftswelt.

      In Deutschland wurde aehnlich verfahren. Preussische Schriftsteller kritisierten das bayrische Geldwesen, und die Wuerttemberger das preussische; so erfuhr dann das Publikum allmaehlich die Wahrheit, auch die Tatsache, dass das preussische Geldwesen, obwohl nicht ideal, doch das bei weitem beste war.

      Ueber die Freiheit in Berlin schreibe ich vielleicht mal gelegentlich: sie ist ziemlich gross, aber das Berliner Verlagswesen ist seiner Aufgabe nicht gewachsen.

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      Ich hoffe, dass Sie in Ihrem Buch auch die Frage behandeln werden, weshalb z.B. in einem Lande, wie der Schweiz, wo der Zins so gering ist  (Zuercher 3 %-ige Stadtanleihe = 105 %, obwohl die 3 % ein Brutto-Zins sind) doch kein Kapital fuer Miethaeuser zu haben ist und auch nicht fuer fremde Eigenheime. Hier unterbleibt also ein volkswirtschaftlich sehr notwendiger Umsatz (die Wohnungsnot ist gross) trotz einer statistisch gesehen - - ueberreichlichen Versorgung des Landes mit Geld.

      Die Schweizer Verhaeltnisse sind ein eklatanter Beweis fuer meine Behauptung, dass ein zentralistisch-monopolistisch organisiertes Geldwesen das Volk nicht ausreichend mit Geld versorgen kann, trotz guten Willens der Leiter.

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      Vom Gesetz vom 23.6.1923 ueber die wertbestaendigen Hypotheken sind vor allen die Ausfuehrungsbestimmungen  wichtig.

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      Sie meinen, es sei ideal, wenn die Banken wieder Noten ausgaeben, wie vor 100 Jahren. Meiner Meinung nach sind die Banken dazu nicht mehr faehig. Wer darueber anderer Meinung ist, der lese die Berichte der Banken ueber die Geldlage. Viel mehr Urteilslosigkeit kann man ueber die Notenemission nicht aeussern. Heute kommen nur Ladengemeinschaften als Emissionsstellen in Frage, allenfalls auch die Hausbanken solcher Ladengemeinschaften.

 

(J.Z.: Wenn man aber den Ladenbesitzern & den Leitern ihrer Vereinigungen dieses System ueberzeugend darlegen kann, dann koennte man wahrscheinlich auch die Bankleiter ueberzeugen. Nur sollten die letzteren nicht mehr ein Monopol zur Zahlungsmittelausgabe erhalten. - J.Z., 1/3/83.)

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      Sie meinen, ich haette geglaubt, dass Bankguthaben nur durch Einzahlungen (Sie meinen wohl Bareinzahlungen) gegruendet werden koennen. Das habe ich gewiss nicht behauptet: es wuerde auch der Wirklichkeit nicht entsprochen haben.

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      Sie finden, dass es zwei Arten von Giralgeld gibt, das bei Notenbanken und das bei andern Banken. Sie haben insofern recht, als die Notenbank im Falle eines run sich durch Notendrucken helfen kann, die andern Banken koennen das nicht; sie muessen die Notenbank huebsch bitten, ihnen zu helfen, und wenn die Notenbank Nein sagt (wie 1931 ), dann gehen sie freundlichst pleite, bzw. werden durch ein Moratorium vor der Pleite gerettet.

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                                                         Mit bestem Gruss  Ihr

gez.: U. v. Beckerath.

 

 

 

 

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First published in: Ulrich von Beckerath: Zur Freiheit, zum Frieden und zur Gerechtigkeit; Gesammelte Briefe, Papiere, Notizen, Besprechungen. PEACE PLANS 428-467 (Mikrofiche), Berrima, Australia, 1983. Page 2901-2902.